Die Genese des Glücksgeflitters
Meine Schweizer Schwiegermutter hat ein Fest gegeben und gestrahlt wie ein Maikäfer. Eigentlich war es ein Kaffeekränzchen hochbetagter Damen, aber sei es drum, der Maikäfer wunderte mich. In Deutschland hätten wir ein Honigkuchenpferd bemüht. Schauen wir mal!
Eine kleine Linguistik der Glücksgesichter
Im Deutschen grinsen wir wie ein Honigkuchenpferd oder strahlen wie ein Honigkuchenpferd, in der Deutschschweiz strahlen wir wie ein Maikäfer.
Laut DWDS ist beides Umgangssprache und bedeutet, dass jemand vor Freude, Glückseligkeit, Erleichterung, Zufriedenheit breit (und ein bisschen dümmlich und manchmal auch verschmitzt) grinst.
Der Maikäfer
Die Schweiz ist verliebt in ihre sprachlichen Eigenheiten, darauf bestehen sie, daher nehmen sie für „über das ganze Gesicht strahlen“ das Käferli – ein bisschen charmant in seiner Bodenständigkeit, ein bisschen schüchtern, regional verankert und nur selten über die Landesgrenzen hinausgeflogen. Der Maikäfer scheint von vorne betrachtet ein Grinsen zu tragen, vielleicht kommt es daher. Erst um 1900 taucht die Redewendung in Schüler- und Studentenkreisen auf, regionale Wörterbücher haben sie brav eingetragen, aber älteres Material? Fehlanzeige. Alles deutet darauf hin, dass der Maikäfer erst im 20. Jahrhundert auftauchte und regional begrenzt lebt.
Das Honigkuchenpferd
Älter ist das deutsche Gegenstück: Seit den 1830ern trabt das Honigkuchenpferd über die Jahrmärkte – ein Pferd aus Lebkuchen mit Zuckerguss, Rosinenaugen und Mandelzier. Um 1900 machte es den Sprung von der Bude in die Sprache: „Ein Gesicht wie ein Honigkuchenpferd haben“ hieß zuweilen, ein eher ausdrucksloses Antlitz zu besitzen. Folgerichtig wurden auch einfältige, antriebsarme Zeitgenossen so genannt. In den 1940ern gesellte sich „ein Gemüt wie ein Honigkuchenpferd haben“ hinzu – eine freundlich verklausulierte Bezeichnung für das leicht Wunderliche und Menschen von schlichter Natur und geringer Energie.
Historische Zuckerkrumen
Und wer ganz tief graben will, stößt vielleicht auf die Legende von 1293, als ein Prager König Honigkuchen in Pferdeform verteilt haben soll. Ob nun das Gebäck zuerst lachte oder die Beschenkten – darüber schweigt die Geschichte.
Sonnige Grüße an die Schwiegermutter.
Fraglich, ob sie das zu schätzen weiß, einen Versuch ist es wert – danke!