Strupierte Füße

Manchmal stolpere ich über Wörter. Meist nicht über solche, die jede:r kennt und benutzt, eher über seltene, die klingen, als hätten sie schon einiges erlebt. Neulich bin ich auf „strupiert“ gestoßen. Ein Wort, das früher wohl viel häufiger durchs Leben torkelte als heute.

Und das kam so:
Damals gab es Telefonbücher, davor gab es Adressbücher. Soziokulturell sind sie ungemein spannend, weil sie voller Anzeigen und Annoncen sind – sprich olle Werbung! Dolles Zeug! Beim Blättern im Adressbuch der Stadt Zürich des Jahres 1922 stieß ich auf die oben gezeigte Werbung eines Zürcher Schuhmachers.

„Naturgemässe Fusskleidung“ ist schon spannend, weil Füße ge- und bekleidet wurden. Das ist interessant, weil meine Schweizer Schwägerin vor ein paar Jahren sagte, sie müsse „Kleider für die Knaben kaufen“. Ich konnte mein Kichern kaum verkneifen, aber in der Deutschschweiz ist Kleidung eben Kleider und Jungs sind Knaben.

Weiter ging es mit „Richtige Beschuhung von Plattfüssen sowie verdorbener und strupierter Füsse“ – was ist das denn? Es gibt Wörter, die ich zweimal lesen muss. “Strupiert“ ist so eines. Zuerst dachte ich, es wäre ein andere Schreibweise für „zerzaust“, „struppig“ oder „strubbelig“. Falsch gedacht. „Strupiert“ gibt es wirklich.

Schweiz: strupierte Füße

Die Variante „strupiere“ habe ich im Berndeutschen Wörterbuch gefunden, und zwar als „strupiere“, „struppiere“ und „gstrupiert“. Das Wort „strupiert“ ist ein altes oder mundartliches Wort, vor allem im Schweizerdeutschen, z. B. im Senslerdeutschen oder Berndeutschen. Im Rätoromanischen findet sich das Wort als „strubchiar“.

Das Schweizer Idiotikon ist eine gute Anlaufstelle für dialektale Wörter. Leider findet sich dort wenig bis nichts zur Etymologie von Wörtern. „Struppieren“, hier mit 2 p, habe ich gefunden, es bedeutet „sich schwer verletzen, verstümmeln“ und ist bereits seit dem späten 17. Jahrhundert bekannt.

Deutschland: struppierte Pferde

In Deutschland gab es das Wort ebenfalls, zwar in anderen Variationen, aber es war durchaus bekannt. „Stropieren“, „struppieren“, „überkötig“, „verbaut“, „vermaukt“ und „estropié“ bezeichnete im 19. Jahrhundert lahme und/oder unbrauchbare Pferde, die für die Pferdezucht nicht geeignet waren. Ich habe nichts gefunden, aber Meyers Konversationslexikon erwähnt, dass auch Menschen struppiert sein können: „vielleicht an ²strupfe (s. d.) anzuknüpfen. auch auf andere thiere und schlieszlich auf den menschen übertragen. erst seit dem 19. jahrh. nachweisbar: ein pferd welches übermäszig mitgenommen ist.“

Herkunft und Etymologie von strup(p)ieren

Ein Hinweis auf die mögliche Herkunft findet sich oben, nämlich „estropié“. Und wirklich, im Französischen gibt es das Wort „estropier“, was so viel wie „verstümmeln“, „verkrüppeln“, „deformiert“, „entstellen“ bedeutet. Es kann sich auf eine physische Verletzung beziehen, die die Bewegungsfähigkeit beeinträchtigt, und ebenfalls auf eine metaphorische „Verstümmelung“ eines Wortes oder Textes, etwa durch falsche Aussprache oder Rechtschreibung.

Im Italienischen ist heute noch „stroppiare/stropiare“ bekannt und bedeutet „verstümmeln“, „verkrüppeln“, „verunstalten“ oder „verderben“.

Die Herkunft ist umstritten: Es könnte ursprünglich aus dem Lateinischen gekommen sein und von „exturpiare“ („kaputt machen, ausrotten“) stammen. Es könnte auch von „disturpiäre“ („entstellen“) kommen oder von „turpis“ („hässlich“).

Es könnte ebenfalls aus dem Griechisch-Lateinischen kommen, von „stroppeäre“ („ausrenken“). „Stropicciare“, das in italienischen Dialekten vorkommt, könnte etymologisch infrage kommen. Und ein weiterer, eher zweifelhafter Ursprung weist aus das Gotische mit „straupön/straupjan“ („streifen“).

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