Mittelhochdeutsches Wörterbuch Kukuk Kuckuck

Vom Kuckuck zum Gauch

Neulich nachts um drei: Während ich dem Ruf der Natur folge, antwortet diese mit einem entspannten „Kuckuck“. Ein wenig irritiert lausche ich, es folgt ein weiteres „Kuckuck“. Schnell habe ich herausgefunden, dass der Kuckuck, je nach Temperatur, nur zwischen April und Juli ruft. Ja, auch nachts.

Der Kuckuck

Beginnen wir mit der Definition des Wortes Kuckuck laut DWDS:

1. „Der Kuckuck ist ein heimischer, langschwänziger Waldvogel und Zugvogel, der nach seinem Ruf benannt ist und der seine Eier in die Nester kleinerer, artfremder Vögel legt und von ihnen ausbrüten lässt.“
2. „Siegel des Gerichtsvollziehers“

International bildet der Name des Vogels seinen Ruf lautmalerisch nach: englisch „cuckoo“, französisch „coucou“, niederländisch „koekoek“, altindisch „kōkiláḥ“, griechisch „kókkyx (κόκκυξ)“, italienisch „cuculo, cucco, cuccù“, russisch „kukuska (кукушка)“ – es zieht sich durch alle Sprachen.

Im 12. Jahrhundert hieß er „kuk(k)uc“, im 14. Jahrhundert „gug(g)ug“ und im Mittelhochdeutschen „kukuk“ oder auch „kuck, gucke, kucker, gugger“. (In der Deutschschweiz sind sie dabei geblieben, da heißt der Kuckuck heute noch „Guggär/Guggar“ und die Kuckucksuhr „Guggärziitli“.) Im Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen finden sich Verben, die „wie ein Kuckuck rufen“ ausdrücken, nämlich „guckōn“ und „gucken“.

Der Gauch

Natürlich lese ich weiter und erfahre, der Vogel hieß ursprünglich Gauch – und jetzt wird es richtig interessant: Es gibt Belege aus dem 8. Jahrhundert, die althochdeutsch „gouh“ notieren, dazu gesellen sich mittelhochdeutsch „gouch“, altsächsisch „gōk“, altenglisch „gēac“ und altnordisch „gaukr“. Bis etwa zum 10. Jahrhundert wurde der Vogel Gauch genannt, erst ab dem 14. Jahrhundert wird Kuckuck, neben Gauch, üblich. (Luther nutzte in seiner Bibelübersetzung das Wort Kuckuck statt Gauch. Luther hat einige Wörter im Umlauf gebracht.)

Das kommt nicht von irgendwo, sondern aus dem Germanischen von „gauka-“ und (wahrscheinlich) aus dem Indoeuropäischen von „ghoug-“ – also auch onomatopoetisch bzw. lautmalerisch nach dem Naturlaut des Kuckucks.

Gauch bedeutet etwas wie Tor oder Narr, was meint, der Kuckuck kann nur einen Ruf und wiederholt ihn dauernd, wie töricht muss er sein! Auch diese Bedeutung zieht sich durch alle Sprachen und variiert zwischen Tor, Narr, Schelm, Betrogener, armer Tropf, Spitzbube, Kretin sowie Geistesschwacher. Vielleicht kommt das Wort Gaukler ebenfalls von Gauch, und der Geck möglicherweise auch.

Der Jeck und der Geek

Ebenso unsicher, aber möglich ist die Verbindung zum rheinischen Jeck (rheinische Aussprache von Geck) und zum Geek. Der Geek taucht Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA auf und geht vielleicht auf das Wort Geck zurück. Während der Geek bis in die 40er Jahre als „Wilder Mann“ im Zirkus anzutreffen ist und in der Show lebende Schlangen, Käfer und Hühner zerbiss und aß, änderte sich die Bedeutung und wurde zur Bezeichnung unerwünschter Menschen, die niemand mag. In 1970ern wurde das Wort Geek zu einer Beleidigung für schwache, feige Menschen, die sich aufblasen und große Reden schwingen. Das entspricht in etwa der Bedeutung von Geck. In den 80er Jahren schwappte das Wort in die Jugendsprache und bezeichnete komische Menschen, Sonderlinge und Streber, was wiederum der Bedeutung von geckenhaft entspricht. Unsauber, rüpelhaft, grobschlächtig, deformiert und gewaltig lauteten die Adjektive, die einem Geek (ja, damals war ein Geek immer männlich) unterstellt wurden. Nett und freundlich gemeint war das nicht und wurde synonym mit Idiot, Volltrottel, Weichei etc. benutzt. Erst in den 1990ern wurde es ein eher neutrales Wort für eine Person mit Wissen, Kenntnissen und Fähigkeiten; so gab es Computer Geeks, Film Geeks usw. Heute ist es eher ein Kompliment.

Und das alles nur, weil nachts die Blase gedrückt hat.

Quellen

DWDS
Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm
Online Etymology Dictionary
MBW Online/Mittelhochdeutsches Wörterbuch