klönen norddeutschland chlöne schweiz wortfeiler
Grafik: Barbara Piontek | wortfeiler

Vom Klönen und Chlönen.

Klönen war für mich immer ein norddeutsches Verb, genau wie Klönschnack eine typische Hamburger Sache ist. Und dann kommt mein weltbester Mann (gebürtiger Zürcher) um die Ecke und sagt: Ach, das ewige Geklöne von …! Moment! Was hat er gesagt? Deutschschweizer kennen das Wort klönen? In der Deutschschweiz klönt jemand? Fast. Lust auf ein wenig Wortwissen und Etymologie zum Verb klönen? Könnt Ihr haben!

Klönen. In Norddeutschland.

Die Herkunft des Wortes ist onomatopoetisch, es geht also um den Klang, den Ton, den Schall. Die Sache an sich, das Klönen steht für Töne und Geräusche machen. Klönen ist ein niederdeutsches Verb, es bedeutet: sich gemütlich zu unterhalten oder entspannt zu plaudern.

Das war nicht immer so: Bis ins 18. Jahrhundert bedeutete klönen auch anhaltend jammern und klagen, weitschweifig reden und ebenfalls mit durchdringender Stimme reden. Klönen war alles andere, als eine gemütliche, zwanglose Sache, es war laut und nervig.

In der Gegend von Ostfriesland kennt man/frau: he klönt as en ôlt hûs, was wiederum dem Hamburgerischen he klöhnet mir my de ohren vull entspricht. Beides meint nichts Gutes und entspricht dem, was klönen und klänen mit und ohne h von Ostfriesland bis Mecklenburg bedeuten kann. Neben dem gemütlichen Schwatzen und entspannten Plaudern.

dwds klönen

Chlöne. In der Deutschschweiz.

Dann wird es ungewöhnlich oder wie die Brüder Grimm es nennen: ein merkwürdiges Wort nord- und süddeutscher Mundarten. Denn in der Deutschschweiz kommt das Wort genau so auch vor: klöhnen, klänen und mundartlich chlöne und chläne bedeutet hier jammern, klagen, ächzen, seufzen – also negativ und unschön, wie meine Schweizer Schwiegermutter sagen würde. Plaudern ist gut, Klönen nicht.

(Wobei Schwiegermutters Plaudereien sprachlich nichts anderes als Geklöne sind, ebenfalls eine lautmalerische Wortbildung, in diesem Fall von spätmittelhochdeutsch plūdern und verwandt mit mittelhochdeutsch plōdern, blōdern = rauschen, schwatzen.)

Weil in der Deutschschweiz Substantivierungen gerne verwendet werden, gibt es dort auch die Chlöne(n), ein Weib, das oft und gerne klagt, jammert etc., und den Chlöni, der wiederum ein Einfaltspinsel, ein armer Tropf (ein Löli) und einer, der stets und besonders in Krankheitszeiten ungeduldig klagt und jammert, ist.

Damit nicht genug, im Gegensatz zu den beiden Auslegungen im Norddeutschen kennt die Deutschschweiz weitere, zusammengefasst ist es so:

Chlöne bedeutet:

1. (auf langweilige, lästige Weise) jammern, klagen, ächzen, seufzen
2. auf lästige Art um etwas bitten
2a. Einem auf allerlei Umwegen, mit verdeckten Worten seine Unzufriedenheit zu verstehen geben (eindeutig ein Euphemismus vom Feinsten)
2b. Einem etwas zutragen, hinterbringen (umgangssprachlich etwas mitteilen)

idiotikon schweiz chlöne chlönen

Was fehlt? Korrekt, die Bedeutung des zwanglosen Plauderns! Chlöne ist, anders als in norddeutschen Gefilden, durchweg negativ besetzt. Nichts davon erwähnen der Duden und das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, lediglich Grimms Wörterbuch und Schweizerisches Idiotikon helfen bei der Suche weiter und kennen die schweizerische Variante von klönen.

grimms wörterbuch klönen klänen

Gesprochen klingt es noch einmal anders: chlöne und alle Varianten bekommen vorne einen Ach-Laut, je nach Form (und Gegend) auch einen deutlich verhärteten Ach-Laut, das klingt dann etwa wie gkch; wie im schweizerischen Wort Schmuck (Schmugkch).

Exkurs ins Alemannische

In Baden-Württemberg wird, genau wie in der Deutschschweiz Alemannisch gesprochen, doch vom Klönen weit und breit keine Spur! Dort wird geschwätzt (Schaffe, ned schwätze!) und gejammert (Schaffe, ned jommere!):

Jammer = de Jommer, s Elend
Jammerlappen = de Jommerlappe, de Jommerchrischt
jammern = jommere
leise jammern = jömmerle
jammerschade = jommerschad

Es bleiben Fragen!

Warum ist das Verb lediglich im Norden und in der deutschsprachigen Schweiz bekannt? Wieso kennt es niemand dazwischen? Warum ist der Gebrauch nicht weiter verbreitet? Wie kommt es zu diesem Vokabelloch (Gruß nach Berlin!)?

Das alemannische Jammern der nördlichen Nachbarn kennen die Deutschschweizer Dialekte auch, und das Klönen – warum bleibt eine Frage.

Das schweizerische Alemannisch hat die 2. Lautverschiebung nicht komplett mitgemacht, ein Grund, warum in den Schweizer Dialekten sehr viele mittelhochdeutsche Wörter vorkommen, aber warum gerade klönen? Und weshalb nur in der negativen Bedeutung, die bis ins 18. Jahrhundert üblich war?

Quellen:

Wörterbuch der Grimms

DWDS

Das Schweizerische Idiotikon. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache

Duden

Wörterbuch Schriftdeutsch – Alemannisch