Wortfeiler Friseur Preise Haarschnitt David Cohen
Foto: David Cohen via Unsplash

Friseur-Preise für Frauen: Warum Gender Pricing dämlich ist.

Ich gehe gar nicht gerne zum Friseur. Lieber gehe ich zum Zahnarzt. Ab und an muss ich dann aber doch, denn ich habe mittlerweile sehr kurze Haare, aber zum Friseur wollen will ich nicht. Es sind viele Kleinigkeiten, die sich rotten und ein geballtes Hindernis ergeben:

Ich mag nicht drei oder sechs Monate im Voraus einen festen Termin vereinbaren. Ich mag nicht so weit in die Zukunft planen, das schränkt mich ein, also gehe ich zu einem Friseur, den ich relativ spontan aufsuchen kann.

Ich mag nicht warten. Die meisten Salons sind laut und riechen penetrant nach Parfüm, also warte ich draußen und hätte gerne eine maximale Wartezeit von 5 bis 10 Minuten. In der Realität hocke ich 30 bis 45 Minuten sinnlos herum, bekomme einen Platz zugewiesen, warte wieder, bekomme die Haare gewaschen, warte wieder, bekomme die Haare geschnitten und gehe zur Kasse, wo ich wieder warte. Ein Vorgang, der innerhalb von 15 bis 20 Minuten erledigt sein könnte, zieht sich hin und am Ende fehlen mir zwei Stunden.

Es riecht und stinkt und mufft. Sehr viele Kosmetikprodukte sind übertrieben mit Duftstoffen versetzt und die Dosierung der persönlichen Damendüfte empfinde ich als belästigend. Zudem gehöre ich zu den Menschen, die den Geruch von Kaffee gar nicht mögen — und bitte darum, nicht neben der allgegenwärtigen Kaffeemaschine sitzen zu müssen.

Es ist laut. Wenn ich Glück habe, dudelt nicht Helene Fischer rauf und runter, dafür Techno oder das Radio inklusive Werbeeinblendungen. Meinetwegen, aber bitte leise, ich mag nicht mitsingen, ich soll mich doch entspannen und wohl fühlen. Der Friseurbesuch scheint für viele Frauen ein soziales Ereignis zu sein, aber ich mag nicht reden, denn meist verbindet die Friseurin oder den Friseur und mich sowieso kein Thema, also schweige ich.

Ich möchte kein Gel, keinen Festiger, kein Haarspray, keine Pomade und auch keine Glitzersträhnchen, dennoch werde ich genau danach auch beim 4. Besuch gefragt und bedrängt. Das nervt.

Es funktioniert nicht und ich sehe schlimm aus. Ich habe sehr dicke Haare und ein paar eigenwillige Wirbel, damit scheine ich 90 Prozent aller Friseure zu überfordern. Im Gegenzug werde ich nicht beraten, sie schneiden einfach und meine Einwände und Wünsche werden überhört und ignoriert, mit dem Ergebnis muss ich leben. In den folgenden Wochen sehe ich aus wie ein gerupftes Huhn und nach ca. 12 Wochen ist der Schnitt endlich rausgewachsen und ich kann mein Spiegelbild ertragen — und muss langsam wieder zum Friseur, weil mir die Ohren zuwachsen.

Was sagen die meisten Friseure dazu? Gel rein, Festiger rein, ohne geht und liegt nichts. Tulux! In den letzten 4 Jahren habe ich 7 oder 9 verschiedene Salons ausprobiert. Bei genau einem hat es geklappt: Ich hatte keinen Termin, war zufällig in der Gegend und bin reingegangen. Ich habe höchstens 5 Minuten gewartet, ich wies auf die Wirbel hin, der Friseur schaute auf meinen Kopf und sagte, verschnitten und zu sehr ausgedünnt und fing relativ schweigend und unaufgeregt an. Meine Haare fielen, er sagte, meine Haare und mein Kopf geben dies und das her, ob ich das will? Klar, ich ließ ihn machen und nach knapp 20 Minuten war ich fertig und zahlte 18,00 Euro plus 5,00 Euro Trinkgeld. Das Wunder geschah, die Haare lagen, auch am nächsten Tag, in der nächsten Woche und 3,5 Monate lang war alles gut — bis ich zum Friseur um die Ecke ging:

Ich bin kein Bittsteller, ich kaufe keine Gnade — behandelt mich nicht, als hätte ich keine Ahnung und wäre dumm, ich erwarte auch nicht, dass die Coiffeuse mit mir das Vernersche Gesetz diskutiert. (Wenn sie oder er das könnten, würde es mich aber freuen!) Ein Friseurbesuch ist eine Dienstleistung, die ich bezahle und dazu freundlich, respektvoll und wertschätzend bin. Im Gegenzug erwarte ich, dass ich halbwegs zufrieden bin und nicht jeden Friseurbesuch als bevormundende Tortur empfinde. Oder anders: Wenn schon Premiumprodukt, dann bitte auch Premiumleistung.

Ich mag nicht 10 bis 30 Euro mehr bezahlen als ein Mann, nur weil ich eine Frau bin. Ab und an gehen mein Mann und ich gemeinsam zum Friseur, er in die Männerabteilung, ich zu den parfümierten Schnattergänsen. Zeitaufwand, Beratung, Schnitt unterscheiden sich nicht, allerdings der Preis: Während er maximal 15 Euro zahlt, zahle ich 25 bis 30. Der letzte Friseurbesuch kostete ihn 25,00 Euro, mich 40,00 Euro — plus Trinkgeld, das ich gerne gebe, weil ich denke, dass Friseure grundsätzlich mehr verdienen sollten.

Wieso gibt für Männer und Frauen überhaupt verschiedene Preise?

Ich frage den jeweiligen Friseur nach einer Erklärung für den Preisunterschied, die Antworten sind, nun, gelinde gesagt, recht einfalls- und aussagelos:

Ein Herrenhaarschnitt geht schneller. Stimmt nicht, jedenfalls in meinem Fall nicht. Wenn ich nicht Ewigkeiten warten und dauernd Dienstleistungen (Spülung, Festiger, Kurpackung, Föhnen, Stylen etc.) abwehren müsste, ginge es noch schneller. Und vielleicht könnte mir jemand zuhören und nicht einfach machen, was der Friseurin und dem Friseur gefällt, ohne mich zu fragen. Und nein, danke, ich mag keinen Kaffee und keinen Prosecco, ich möchte einen Haarschnitt, bitte.

Eine Damenfrisur ist komplizierter. Nein, ich habe keine Locken, keine feinen Haare und will keinen schwierigen Haarschnitt, der gerade im Trend ist. Für mich muss niemand eine Schulung zur neusten Haarmode oder -farbe besuchen und ich möchte auch nicht über irgendwelche Promis, Königshäuser oder Konsumtempel reden.

Der Aufwand im Damensalon ist höher. Dann gehe ich doch in die Männerabteilung und lasse dort schneiden! Nein, das geht auch wieder nicht, sagen alle Coiffeure. Der Grund? Dazu sagen sie nichts, ich gehe vom Preisgefüge aus.

Der Friseur muss eine Preisangabenverordnung einhalten und darf nur feste Preise aushängen. Meinetwegen, dann soll er von bis schreiben — oder mich zum Herrenfriseur lassen. Da ist es eh ruhiger und riecht nicht ganz so übel. Schließlich haben wir freie Marktwirtschaft und unternehmerische Freiheit, die eine Preiskalkulation ermöglichen. Dafür komme ich dann vielleicht auch öfter.

Das war schon immer so! Ja, es gab Salons für Frauen und für Männer, deren Preise sich unterschieden. Seit den 1970er Jahren ist das nicht mehr so, seitdem gibt es sogenannte Unisex-Salons, die einen Bereich für Frauen und einen für Männer haben — nur bei den Preisen gilt das nicht. Als Erklärung für Preisunterschiede taugt diese Aussage gar nicht.

Es ist generell verwunderlich, dass Frauen um die 20 % weniger verdienen als Männer, dafür aber bei vielen Produkten und Dienstleistungen kräftig mehr zahlen müssen. Stellt Euch vor, im Supermarkt würde es zwei Kassen geben — eine für Männer und eine für Frauen, aber an der Frauenkasse wird ein ordentlicher Aufschlag berechnet. Einfach so, und weil es traditionell so ist — würdet Ihr stillhalten und mitmachen?

Die Grundfrage lautet: Ist es korrekt, legitim und vertretbar, dass weibliche Kunden männliche subventionieren? Männer würden nicht mehr zahlen, auch nicht freiwillig. Aber Frauen müssen, da fragt niemand nach. Es bedeutet auch, Männerhaarschnitte können kompliziert und zeitaufwendig sein, die Rechnung tragen Frauen. Komisch, dass mir das nicht gefällt.

Die Kosten müssen bezahlt werden und heutzutage muss selbst der Friseur Marketing und Werbung machen. Na, dann macht das auch! Marketing und Werbung bestehen nicht aus einem Facebook-Like, einem Twitter-Herzchen, einer 5-Sterne-Bewertung, dem neusten Produkt, das retten soll, was nicht zu retten ist und aus Menschen machen soll, was gar nicht möglich ist und schon gar nicht aus überholten Preiskalkulationen, die sich an der Konkurrenz orientieren. Marketing und Werbung sind wie Kunden — individuell! Wenn ein Friseur meint, eine Visitenkarte aus dem heimischen Tintenstrahldrucker reicht, eine kostenlose Domain mit 0815-Baukasten-Website auch, und Leistung und Service im Salon sind bestenfalls durchschnittlich, tja, dann kann dabei doch auch nur Durchschnittsmatsche rauskommen. Social Media bedeutet nicht, alle Friseure zeigen, wie sie gerne wären und üben sich in Selbstdarstellung. Wer zahlt die Kosten und Gehälter? Eben, der Kunde und die Kundin, dann redet mit denen, seid sozial und tauscht Euch aus. Macht Aktionen und ändert nicht zu den Jahreszeiten oder Feiertagen einfach nur die Deko. Schaut nicht der Konkurrenz auf die Finger, seid die Konkurrenz und macht es besser.

Zum Beispiel im Bereich Preise: Die meisten Salons können nicht gegen Billiganbieter ankommen, müssen sie auch nicht und sollten sie auch nicht! Service und Leistung sind der Unterschied, der zählt. Nur, wenn die Preise gehoben sind, sollten es Leistung und Qualität auch sein. Ein hochtrabender, vermeintlich lustiger Name, dafür eine preiswerte Einrichtung, günstige (Teilzeit-)Mitarbeiter, die halbherzig und nicht hochwertig arbeiten und dazu dumme Sprüche und belanglose Fotos auf Instagram und Facebook posten, dafür kostenloses WLAN, wenn ich meine Daten preisgebe, anbieten — wie passt das zusammen?

Respekt und Wertschätzung basieren auf Gegenseitigkeit. Friseure können meinetwegen im Mittelmaß vor sich hindümpeln, aber als Kundin sehen sie mich nicht wieder. (Auch weil ich weiß, wie gute Werbung und ordentliches Marketing funktionieren.) Aber was mache ich nun? Haare wachsen lassen? Zu dem scheinbar einzigen Friseur pilgern, der wunderbar Haare schneiden kann, aber sehr schlecht erreichbar und weit weg ist? Weiterhin Salons ausprobieren und aufs Beste hoffen? Einen Friseur suchen, der den Unsinn der unterschiedlichen Preise für Frauen und Männer abgeschafft hat und individuell nach Aufwand und Leistung kalkuliert? Die gibt es nämlich und sie laufen sehr gut.

Oder muss erst kommen, was in den Bundesstaaten New York und Kalifornien und in Österreich gesetzlich geregelt ist? Dort ist Gender Pricing, also die geschlechtsspezifische Benachteiligung, verboten und Produkte und Dienstleistungen dürfen nicht nach Geschlecht unterschiedlich sein. Vielleicht würde ich dann freiwillig alle 4 bis 6 Wochen zum Friseur gehen, wenn ich mich dort halbwegs wohlfühlen würde, das Ergebnis mir gefallen würde und ich nicht das Gefühl hätte, ich muss mehr zahlen, einfach weil ich eine Frau bin.