In den letzten Jahren höre und, schlimmer noch, lese ich vermehrt das Wort zumindestens. Überall. In Artikeln, Zeitungen, bei twitter und überhaupt: Es ist eine Seuche. Hielt ich es anfangs noch für einen Versprecher, Unwissen oder Ignoranz, erscheint es mir mittlerweile, als wäre die Verwendung völlig üblich und in der Umgangssprache angekommen — schön is dat nich, vor allem und besonders, weil es das Wort zumindestens nicht gibt. Auf zur Spurensuche!
Die Basis bilden zwei Adverben, die es wirklich gibt: mindestens und zumindest. Die Bedeutungen sind ähnlich und überschneiden sich, zumindest laut Duden, während sich die Verwendung unterscheidet. (Zum Vergrößern anklicken oder direkt im Duden nachschauen.)
Im Duden lässt sich eine weitere Form finden, die zum mindesten oder zum Mindesten lautet. Diese Form führt uns zu Grimms Wörterbuch, wo unter dem Stichwort mindestens folgender Eintrag zu finden ist: mindestens, adv. mininum; für zum mindesten […] in jüngerer zeit empor gekommen, zuerst gegen anfang des 18. jahrh. in wörterbüchern verzeichnet: minstens, wenigstens, allerwenigstens (niederl.) ten minsten, ten alder minsten […]; mindestens für zum mindesten, zum wenigsten.
Mindestens ist noch nicht allzu lange in unserem Sprachgebrauch unterwegs, das Adverb zumindest gibt es nicht, jedenfalls nicht in Goethes Wörterbuch und auch nicht in Grimms Wörterbuch, daher ist es wahrscheinlich eine neuere Schöpfung. Von zumindestens ganz zu schweigen — das gab es nie, gibt es nicht und wird es (hoffentlich) auch nie geben. Bevor es nicht im Duden angekommen ist, verwende ich es nicht und finde es auch dann schrecklich und falsch.
Die Verseuchung — eine Kontamination
Eine Zusammensetzung zweier Wörter, wie es bei zumindestens der Fall ist, wird Kontamination genannt. Was auch eine Verschmutzung oder Verunreinung sein kann, und es meiner Meinung nach sehr gut trifft, bezeichnet in der Sprachwissenschaft eine Vermengung von Wörtern oder Wendungen, die zu einer neuen Form zusammengebastelt werden. Oft sind sie völliger Unsinn, also Dummtüch und werden von jedem Rechtschreibsprogramm hoffentlich knallrot angeprangert! Zwei Wörter, die ein neues ergeben (sollen), heißen auch Kofferwort, Portmanteauwort, Wortkreuzung, Wortverschmelzung oder Blending. Kurz nachgedacht, entdecke ich einige Kontaminationen:
Zumindest und mindestens wird zu zumindestens.
Gebäude und Baulichkeiten wird zu Gebäulichkeiten.
Zumeist und meistens wird zu zumeistens.
Kur und Urlaub ergeben Kururlaub.
Mund-zu-Mund-Beatmung und Mundpropaganda wird zu Mund-zu-Mund-Propaganda.
Breakfast und Lunch werden ein Brunch.
Deutsch und englisch wird zu denglisch.
Smog und fog wird zu Smog.
Meiner Meinung nach und meines Wissens wird zu meines Wissens nach.
Über den Sinn, Zweck und Nutzen solcher Verbindungen könnten wir nun diskutieren, ich vermeide sie. Aber: Ja, ich gebe zu, es gibt auch Kontaminationen, die ich mag: Ignorativ ist ganz weit vorne. Das ist eine kreative Wortschöpfung und keine laienhafte Stümperei. So, Meinungen dazu?